Hier findet sich neben dem einen oder anderen Geheimtipp zu den einzelnen Inseln der Kanaren auch Lebensart der Canarios: Rezepte, Eindrücke, Schnappschüsse, Umgangsformen, Stichwörter, Basisvokabular. Kurz: alles, was einem bei einer Kanarenreise hilfreich sein kann - und was die Sehnsucht wach hält, wenn man wieder zuhause ist.
Sonntag, 29. Juli 2012
Nicht nur kanarisch: Der Kanarienvogel
Nunja, so ganz stimmt es nicht, dass der Kanari nicht kanarisch ist - aber er ist eben, so wie wir ihn kennen, nicht "typisch kanarisch", sondern festlandeuropäisch. Genau genommen sogar deutsch.
Aber eins nach dem anderen.
Die Vorfahren des quietschgelben Kanarienvogels, der den meisten Kindern vor allem als "Kanari" aus Janoschs "Schnuddel-Büchern" bekannt sein dürfte, stammen durchaus von den Kanaren, bzw. und/auch der Inselgruppe der Azoren.
Als ich vor ein paar Jahren auf La Palma unter einem riesigen Baum in der Dorfmitte eines kleine Ortes an der Westküste war, schien dieser Baum vor Gezwitscher und Flügelschlagen nahezu zu zittern - es klang nach dem, was ich mir unter Kanariengezwitscher vorgestellt hatte, allerdings war weit und breit kein "Gelb" zu sehen.
Das liegt daran, dass die Ursprungsform desjenigen Vogels, den wir mit dem "Kanarienvogel" identifizieren, eher unscheinbar grau-grün ist (und folglich farblich auch als Schwarm im Blätterwerk des Riesenbaumes unterging).
Der Name des eigentlich, unverzüchteten und nicht-domestizierten Kanarienvogels ist "Serinus Canaria".
Er ist der Vorgänger des heutigen Kanarienvogels und fand seinen Weg aufs Festland nicht aus eigener Flügelkraft, sondern, wie so vieles andere, das den Seeweg zwischen den Inseln und dem Festland zu bewältigen hatte, auf einem Schiff Ende des 15 Jahrhunderts hin zum spanischen Königshof.
Von dort aus avancierte das wohklingende Vögelchen schnell zum Statussymbol adliger Damen, die sich an seinem Gesang erfreuten und die Tierchen gegen aufkommende Langweile nutzten. Aufgrund seiner Beliebtheit entwickelte sich ein eigener Handels- und Zuchtzweig, der die Ausbreitung der Tiere auf dem europäischen Festland begünstigte und letztlich zur Vermehrung und zur Züchtung führte, die, wie sollte es anders sein, im Laufe der Jahrhunderte und königreichsübergreifend zwischen England, Frankreich, Deutschland und Spanien auch die ersten Mutationen zutage brachte.
Das Optimum zwischen idealre Farbzucht und idealer Sangeskraft entwickelte sich schließlich Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts mittels der neu gewonnenen (und weiter professionelisierten) Erkenntnisse aus der Vererbungslehre.
Zwischen dem ursprünglichen Serinus Canaria und dem heutigen Kanarienvogel liegen also nicht nur ein großes Meer, sondern auch knapp 500 Jahre Zucht.
Zuhören kann man ihnen trotzdem ganz wunderbar, am liebsten irgendwann im Winter auf einer der Inseln des kanarischen Archipels....
Samstag, 23. Juni 2012
Cochenille - oder: warum Lippenstift Vegetariern Probleme macht
Hätte man mir als Kind erzählt, dass es außer dem Flohzirkus, den ich zwar nie gesehen habe, dessen Existenz ich aber für glaubwürdig hielt, auch Läuse-Bauern gibt, wäre ich begeistert gewesen und hätte mir ein Gespann vorgestellt, vor das ein armes kanarisches Bäuerlein zwei dicke Läuse gespannt hat, um den sonnengedörrten Boden zu durchpflügen. Wie enttäuscht wäre ich gewesen, die Läusefarmen zu sehen, die mich als Erwachsene heutzutage bewundern lassen, woran ich dereinst wohl nur vorübergelaufen wäre: graue, häßliche Schleier (siehe Bild, mittig), der sich über die Opuntienkakteen, die Wirtspflanzen und Läusenahrung, - aus ihnen entsteht ein wunderbares Rot - und nicht nur das. Je nach Kombination mit metallischen Elementen oder Säure kann aus dem "Läuserot" auch schwarz, braun oder schimmernd tief-violett. Jeder, der das durchdringende Camparirot kennt, die knalligen Rottöne, die Rouge verursacht, das klare Rot der urchristlichen Ostereier (wie sie auch auf den Inseln noch verwendet werden), weiß, was das Rot der Cochenilleschildlaus für eine Leuchtkraft hat.
An der Ostküste Lanzarotes in der Region um Mala gibt es Farmen der Cochenille-Kakteen, die sich bis an den Meeressaum erstrecken, auch auf Fuerteventura, La Palma und den anderen Eilanden findet man die dickfleischigen Feigenkakteen (ja, die, von denen auch die Kaktusfeigen stammen, die man besser nur mit einem dicken Paar Handschuhe anpackt), die den Cochenille-Läusen als Nahrung dienen.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Färberhandwerk auf den Inseln beheimatet, insbesondere, weil sich mit der Seidenproduktion (zu der es auf La Palma in El Paso ein kleines und sehr feines Museeum gibt) beide für exquisite und ästhetisch schöne Stoffe notwendige Rohmaterialien ohne lange Handelswege auf engstem Raum beieinander befanden.
Kakteenfarm auf Lanzarote nahe des Jardin de Cactus bei Guatiza (Lanzarote) |
Wie also kommt das Rot in den Campari?
die getrockneten Schildläuse werden, nachdem sie von den opuntien abgekratzt wurden, gemahlen - in den Körpern der weiblichen läuse befindet sich eine hohe Anreicherung an Karmin, dem roten Farbstoff. Dieser ist mit dem Zusatzstoffkürzel E120 gekennzeichnet, wenn er sich in Lebensmitteln befindet - in der Kosmetikindustrie wird er, beispielsweise in der Lippenstiftproduktion, in Deutschland nicht separat ausgewiesen, was vor allem für strikte Vegetarier und Moslems, denen der Verzehr von Insekten als unrein verboten ist, problematisch sein kann.Stellenwert und Anbau
Zwar ist der Farbstoff mittlerweile vielerorts durch chemische Ersatzprodukte substituiert worden, da die Karminsäure aber zu den lichtbeständigsten und am längsten haltbaren und stabilen Farbstoffe gehört, der flexibel für alle Färbeprozesse verwendbar ist, wird er mit Sicherheit nie ganz als Wirtschaftsprodukt verschwinden.An der Ostküste Lanzarotes in der Region um Mala gibt es Farmen der Cochenille-Kakteen, die sich bis an den Meeressaum erstrecken, auch auf Fuerteventura, La Palma und den anderen Eilanden findet man die dickfleischigen Feigenkakteen (ja, die, von denen auch die Kaktusfeigen stammen, die man besser nur mit einem dicken Paar Handschuhe anpackt), die den Cochenille-Läusen als Nahrung dienen.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Färberhandwerk auf den Inseln beheimatet, insbesondere, weil sich mit der Seidenproduktion (zu der es auf La Palma in El Paso ein kleines und sehr feines Museeum gibt) beide für exquisite und ästhetisch schöne Stoffe notwendige Rohmaterialien ohne lange Handelswege auf engstem Raum beieinander befanden.
Mit Cochenille handgefärbte Seide in allen Rottönen - Handwerkermarkt in Haria (Lanzarote) |
Donnerstag, 7. Juni 2012
Kanarische Wolfsmilch - Euphorbia canariensis
Als ich das erste Mal auf Fuerteventura war, suchte ich sie, ohne sie zu bemerken, die Kanarische Wolfsmilch, über die der Reiseführer so viel zu sagen, mir aber kein Bild darzustellen wusste. Zum Beispiel sollte ihre giftige Milch gegen Warzen wirken....
Ich hielt erst mal das dafür:
war es aber nicht.
Die Euphorbia Canariensis sieht so aus:
Das Besondere an ihr ist, dass es sie als endemisches Gewächs tatsächlich nur auf diesem einen wunderschönen Inselarchipel gibt, was sie zweifelsohne mit dem prädikat "typisch kanarisch" auszeichnet. Wolfsmilchgewächse haben lange Wurzelgeflechte, die sich flächig ausbreiten und
das Oberflächenwasser und die Bodennährstoffe aufnehmen, sobald es durch
die trockenen Erdschichten dringt. Das Wasser speichern sie dann in
ihren fleischigen Pflanzenkörpern und überstehen so auch sehr lange
Trockenperioden auf den Inseln.
Die Kanarenwolfsmilch kann ungeheure Ausmaße annehmen, da sie aufgrund ihres giftigen Saftes als Futterpflanze auch für die angesiedelten Tiere auf der Inseln nicht infrage kommt. Außerdem besitzt die kanarische Wolfsmilch eine dicke Haut, die die Verdunstung genauso wie Beschädigungen von außen verhindert.
Die Altkanariere nutzten den giftigen Saft offenbar zum Fischfang in Lagunen, da das ätzende Substrat offenbar auch betäubende Wirkung hat und die Fische lähmte.
Da ich bis heute nicht weiß, was das obere bild für eine Pflanze zeigt, freue ich mich sehr, wenn jemand mir dies mitteilen kann... ich nenne sie immer liebevoll "Maschendrahtzaungewächs" - hat auch was.
Ich hielt erst mal das dafür:
war es aber nicht.
Die Euphorbia Canariensis sieht so aus:
![]() |
Quelle: http://www.euphorbia.de/y003.jpg |
Die Kanarenwolfsmilch kann ungeheure Ausmaße annehmen, da sie aufgrund ihres giftigen Saftes als Futterpflanze auch für die angesiedelten Tiere auf der Inseln nicht infrage kommt. Außerdem besitzt die kanarische Wolfsmilch eine dicke Haut, die die Verdunstung genauso wie Beschädigungen von außen verhindert.
Die Altkanariere nutzten den giftigen Saft offenbar zum Fischfang in Lagunen, da das ätzende Substrat offenbar auch betäubende Wirkung hat und die Fische lähmte.
Da ich bis heute nicht weiß, was das obere bild für eine Pflanze zeigt, freue ich mich sehr, wenn jemand mir dies mitteilen kann... ich nenne sie immer liebevoll "Maschendrahtzaungewächs" - hat auch was.
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