Samstag, 23. Juni 2012

Cochenille - oder: warum Lippenstift Vegetariern Probleme macht

Hätte man mir als Kind erzählt, dass es außer dem Flohzirkus, den ich zwar nie gesehen habe, dessen Existenz ich aber für glaubwürdig hielt, auch Läuse-Bauern gibt, wäre ich begeistert gewesen und hätte mir ein Gespann vorgestellt, vor das ein armes kanarisches Bäuerlein zwei dicke Läuse gespannt hat, um den sonnengedörrten Boden zu durchpflügen. Wie enttäuscht wäre ich gewesen, die Läusefarmen zu sehen, die mich als Erwachsene heutzutage bewundern lassen, woran ich dereinst wohl nur vorübergelaufen wäre: graue, häßliche Schleier (siehe Bild, mittig), der sich über die Opuntienkakteen, die Wirtspflanzen und Läusenahrung, - aus ihnen entsteht ein wunderbares Rot - und nicht nur das. Je nach Kombination mit metallischen Elementen oder Säure kann aus dem "Läuserot" auch schwarz, braun oder schimmernd tief-violett. Jeder, der das durchdringende Camparirot kennt, die knalligen Rottöne, die Rouge verursacht, das klare Rot der urchristlichen Ostereier (wie sie auch auf den Inseln noch verwendet werden), weiß, was das Rot der Cochenilleschildlaus für eine Leuchtkraft hat.

Kakteenfarm auf Lanzarote nahe des Jardin de Cactus bei Guatiza (Lanzarote)

Wie also kommt das Rot in den Campari?

 die getrockneten Schildläuse werden, nachdem sie von den opuntien abgekratzt wurden, gemahlen - in den Körpern der weiblichen läuse befindet sich eine hohe Anreicherung an Karmin, dem roten Farbstoff. Dieser ist mit dem Zusatzstoffkürzel E120 gekennzeichnet, wenn er sich in Lebensmitteln befindet - in der Kosmetikindustrie wird er, beispielsweise in der Lippenstiftproduktion, in Deutschland nicht separat ausgewiesen, was vor allem für strikte Vegetarier und Moslems, denen der Verzehr von Insekten als unrein verboten ist, problematisch sein kann.

Stellenwert und Anbau

Zwar ist der Farbstoff mittlerweile vielerorts durch chemische Ersatzprodukte substituiert worden, da die Karminsäure aber zu den lichtbeständigsten und am längsten haltbaren und stabilen Farbstoffe gehört, der flexibel für alle Färbeprozesse verwendbar ist, wird er mit Sicherheit nie ganz als Wirtschaftsprodukt verschwinden.

An der Ostküste Lanzarotes in der Region um Mala gibt es Farmen der Cochenille-Kakteen, die sich bis an den Meeressaum erstrecken, auch auf Fuerteventura, La Palma und den anderen Eilanden findet man die dickfleischigen Feigenkakteen (ja, die, von denen auch die Kaktusfeigen stammen, die man besser nur mit einem dicken Paar Handschuhe anpackt), die den Cochenille-Läusen als Nahrung dienen.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Färberhandwerk auf den Inseln beheimatet, insbesondere, weil sich mit der Seidenproduktion (zu der es auf La Palma in El Paso ein kleines und sehr feines Museeum gibt) beide für exquisite und ästhetisch schöne Stoffe notwendige Rohmaterialien ohne lange Handelswege auf engstem Raum beieinander befanden.
Mit Cochenille handgefärbte Seide in allen Rottönen - Handwerkermarkt in Haria (Lanzarote)

Donnerstag, 7. Juni 2012

Kanarische Wolfsmilch - Euphorbia canariensis

Als ich das erste Mal auf Fuerteventura war, suchte ich sie, ohne sie zu bemerken, die Kanarische Wolfsmilch, über die der Reiseführer so viel zu sagen, mir aber kein Bild darzustellen wusste. Zum Beispiel sollte ihre giftige Milch gegen Warzen wirken....

Ich hielt erst mal das dafür:


war es aber nicht.

Die Euphorbia Canariensis sieht so aus:
http://www.euphorbia.de/y003.jpg
Quelle: http://www.euphorbia.de/y003.jpg

Das Besondere an ihr ist, dass es sie als endemisches Gewächs tatsächlich nur auf diesem einen wunderschönen Inselarchipel gibt, was sie zweifelsohne mit dem prädikat "typisch kanarisch" auszeichnet. Wolfsmilchgewächse haben lange Wurzelgeflechte, die sich flächig ausbreiten und das Oberflächenwasser und die Bodennährstoffe aufnehmen, sobald es durch die trockenen Erdschichten dringt. Das Wasser speichern sie dann in ihren fleischigen Pflanzenkörpern und überstehen so auch sehr lange Trockenperioden auf den Inseln.
Die Kanarenwolfsmilch kann ungeheure Ausmaße annehmen, da sie aufgrund ihres giftigen Saftes als Futterpflanze auch für die angesiedelten Tiere auf der Inseln nicht infrage kommt. Außerdem besitzt die kanarische Wolfsmilch eine dicke Haut, die die Verdunstung genauso wie Beschädigungen von außen verhindert.
Die Altkanariere nutzten den giftigen Saft offenbar zum Fischfang in Lagunen, da das ätzende Substrat offenbar auch betäubende Wirkung hat und die Fische lähmte.
 Da ich bis heute nicht weiß, was das obere bild für eine Pflanze zeigt, freue ich mich sehr, wenn jemand mir dies mitteilen kann... ich nenne sie immer liebevoll "Maschendrahtzaungewächs" - hat auch was.


Dienstag, 5. Juni 2012

Gofio - Leib- und Magenspeise der Canarios



Man sagt dem Gofio nach, für die unbändigen Lebensgeister der Canarios und ihrer Vorfahren verantwortlich zu sein, und noch heute gehört dieses Grundnahrungsmittel, wie zu den Zeiten der Vorväter, unbedingt auf den Speiseplan und zur Lebensart der Kanarer dazu.
Dabei bezeichnet „Gofio“ eher die Art der Zubereitung dessen, was verspeist wird, denn die Materie an sich, denn das, was allen „Gofios“ gemeinsam ist, ist, dass etwas geröstet wird, ehe es gemahlen und zu Mehl verarbeitet wird.
Heutzutage kann man davon ausgehen, dass der Begriff Gofio sich auf vorgeröstetes Getreide (zuweilen aber auch Hülsenfrüchte und Pflanzensamen) bezieht – zur Zeit der Guanchen und Altkanarier bestand das zu mahlende Produkt schon auch einmal aus Farnwurzeln und anderen Waldpflanzen – nicht überall (vermutlich vorwiegend aber auf den Inseln Lanzarote und Fuerteventura) wurde Getreide angebaut.
Der heute am häufigsten verwendete Rohstoff für Gofio dürfte der Mais sein. 

Gofio – Grundnahrungsmittel in jedweder Kombination

Das Gofiomehl wird dann in allen erdenklichen Formen und von allen Bevölkerungsschichten verwendet: man findet es als Suppeneinlage, zum Andicken von (Ziegen-)Milch für Babys, zum Konfekt verarbeitet und als Teig, der mit Honig und Bananen oder wahlweise in der salzigen Variante mit Olivenöl und Gewürzen hergestellt wird.

Wer den für uns eher ungewohnten Röstgeschmack nicht scheut, sollte sich unbedingt im Supermarkt (meist neben dem Mehl befindlich) mit einem Säckchen Gofiomehl eindecken.

Freitag, 1. Juni 2012

Mojo Verde - Ode an die Petersilie

Die Mojo verde, die Schwester der Mojo rojo, wird wie die kontrastierende rote Soße aus vorwiegend frischen Zutaten zubereitet und gehört zum kanarischen Kulturgut und den Inseln ebenso wie Papas arrugadas, Vulkane und der Wind.

Mojo verde - grüne Soße

Man nehme zur Herstellung
  • 3 bis 4 grüne Paprika
  •  nach Geschmack (gerne auch mehr als zwei) Knoblauchzehen
  • einen Teelöffel Kümmelkörnchen
  • mindestens ein Bund Petersilie
  • Koriandergrün
  • Olivenöl
  • Essig
  • Salz

Die Zubereitung erfolgt:
  • mittels eines Mörsers, in dem Kümmel und Knoblauch gemeinsam zerstoßen und mit salz vermengt werden
  • fein geschnittene Paprika, Koriander und gewiegte Petersilie werden hier hinzu gegeben
  • gut verrührt und mit Öl, Essig und bei Bedarf etwas Wasser (manchmal auch einem Spritzer Zitrone) aufgefüllt.
  • Nochmals gut verrühren.
Gerne wird auch diese Soße zu Papas arrugadas, Fleisch, vor allem aber Fisch gegessen.
Kaufen kann man sie auch - selbermachen ist aber flexibler!
Mojo Canario Verde